Handwerk ist der neue Luxus unserer Zeit. Die folgenden vier Beispiele aus vergangenen «Sweet Home»-Reportagen zeigen lokal hergestellte Mode und Gebrauchsgegenstände ganz unterschiedlicher Art. Die Schmuckdesignerin Ma Schellenberg, die Modemacherin Maya Burgdorfer und die Textildesignerin Sonnhild Kestler verbinden Handwerk mit künstlerischem Ausdruck. Heinz Roth hat mit seinen Rosshaarmatratzen eine alte Tradition neu belebt.
Fotos: Rita Palanikumar für Sweet Home
MA SCHELLENBERG - DIE GOLDSCHMIEDIN
Ma Schellenberg hat eigentlich Textildesign studiert. Nach dem Schulabschluss aber bildete sie sich weiter als Goldschmiedin und arbeitet seither selbstständig und alleine in ihrem Atelier im Zürcher Industriequartier. Das gibt Ihr die Freiheit, das zu tun, was sie möchte, und zwischendurch auch mal auf Reisen zu gehen. Ihre Schmuckstücke fallen auf und erzählen Geschichten. Der Schmuck war ursprünglich nur für ihre Freundinnen gedacht und wurde dann als Geheimtipp herumgereicht. Auch heute noch sind es Stücke für Individualisten, die nicht am Mainstream interessiert sind.
Auf dem Arbeitsisch sind unzählige Werkzeuge und Materialien, die Ma für ihre Arbeit braucht. Unter dem Tisch ist eine Aufhängevorrichtung für Späne, Staub usw., denn Goldschmiede-Abfall ist wertvoll.
Die Resultate, alles kleine Zauberwerke, werden auf kleinen Samtkissen präsentiert. Ma Schellenberg arbeitet gerne mit interessanten Formen, kleinen Miniamuletten und Ketten in allen Grössen. Diese Armbänder erinnern ein wenig an Indien, ein Land, das die Schmuckdesignerin gerne bereist.MAYA BURGDORFER - DIE HAUTE COUTURE-SCHNEIDERIN
Die bekannte Schweizer Modedesignerin Maya Burgdorfer kreiert in ihrem Couture-Salon Mode nach Mass, Accessoires, eine kleine, exklusive Teppichkollektion, Stoffe und vieles mehr. Beim Anblick der Traumkleider denkt man an die glamourösen Flappers der 20er-Jahre oder an die kapriziösen Damen des Rokoko. Maya Burgdorfer spielt mit ihren Kreationen aber auch bewusst mit Gegensätzen. Sie sind dezent und zugleich aufreizend, elegant aber auch humorvoll, mit einem Blick zurück in glanzvolle Zeiten und einem andern in die Subkulturen, wo Kunst und Punk den Ton angeben.
Im kleinen, schicken Couturesalon, der sich in einem Eckhaus mitten im Wohngebiet am Zürichberg befindet, kreiert, näht und verkauft Maya Burgdorfer ihre exklusiven, femininen Kleider. Die Kundinnen können aus einer bestehenden Kollektion auswählen, Stoffe, Farben, Verarbeitungen oder Varianten wünschen. Die Kleider schneidert Maya Burgdorfer dann auf Mass. Anproben finden hinter schweren, elfenbeinfarbenen Seidenvorhängen statt, die geschmückt sind mit schwarzen Bordüren und Pompons.
Kleider brauchen oft passende Accessoires. Auch diese fertigt die Designerin mit viel Können und Kreativität selber an.SONNHILD KESTLER - DIE TEXTILDESIGNERIN
Sonnhild Kestler ist eine Textildesignerin, die ihre Arbeit als Kombination von Design und Handwerk versteht. Ihr Atelier ist auch eine Siebdruckerei. Hier entwirft sie ihre Kreationen, probiert aus, macht Prototypen und druckt am Schluss alles selbst. Sie fertigt ihre Siebe – für jede Druckfarbe ein neues – an und mischt die Farben. Am grossen Drucktisch werden Stoffe aufgespannt, die sie von Hand bedruckt. Die Designerin verkauft ihre Kollektion im Laden Thema Selection im Zürcher Niederdorf.
Das Endprodukt, die Stoffe auf Ballen aufgerollt, wartet auf die Verarbeitung. Schals und Foulards werden im Appenzell rouliert. «Dort gibt es noch Frauen, die das Know-how haben, von Hand zu roulieren», erklärt die Textildesignerin. So sind Kestlers Produkte von Anfang bis zum Schluss in sorgfältiger Handarbeit gefertigt, grösstenteils in der Schweiz. Nur die Stickereien werden in Indien gemacht und die Häkelspitzen, die manchmal die Tücher abschliessen, in der Türkei.
Streifen sind bei Sonnhild Kestler nicht einfach Streifen; sie sind gemustert und werden zu etwas ganz Neuem, Unerwartetem zusammengesetzt.HEINZ ROTH - DER MATRATZENMACHER
Die Liebe zu Echtem, Ursprünglichem und Handgemachtem spielt wieder eine sehr grosse Rolle, und so sind auch Rosshaarmatratzen begehrt. Diese macht Heinz Roth als einer der wenigen noch von Anfang bis zum Schluss von Hand in seiner idyllischen Werkstatt in Niederbipp. Der Grund für die Rückkehr zum Einfachen ist klar, denn auf den Naturmaterialien schläft es sich besonders gut, und handgemachte Erzeugnisse begleiten einen meist ein Leben lang. Heinz Roth braucht für eine Matratze einen guten Tag. Das Rosshaar bezieht er von der einzigen Rosshaarspinnerei der Schweiz, aus Marthalen, die übrigens auch in die Manufakturen liefert, welche die Matratzen fürs englische Königshaus fertigen. «Es ist reiner Pferdeschweif, aber kein Pferd wird wegen seiner Haare getötet», erklärt der Fachmann.
Typisch an einer handgenähten Matratze sind die schönen Wulste, welche die Kanten der Matratze ausmachen, und die kleinen zotteligen Bouffetten. Auf der Seite sieht man die handgenähte Naht, dank der die Matratze wieder geöffnet werden kann, falls sie mal aufgefrischt werden muss.
Ist die Matratze fertig gefüllt, wird sie mit langen Nadeln von Hand und im Matratzenstich zusammengenäht. Mithilfe von kleinen Zotteln, Bouffetten genannt, steppt der Handwerker die Matratze in verschiedene Abteilungen ab, so, dass das Füllmaterial regelmässig verteilt bleibt.